Wundervogel Huhn

Wunderbare Grete

Es ist ja mittlerweile klar geworden, wie sehr ich von meinen beiden Hühnerdamen, Helga und Grete, schwärme. Sie sind entzückend und einzigartig! Abgesehen von diesen beiden Individuen ist ihre Spezies, Gallus gallus domesticus, das Haushuhn, ein wahrer Wundervogel. In fast allen Ländern dieser Welt ist es als Nutztier bekannt. Weltweit gibt es aktuell knapp 23 Milliarden Hüher. Global gesprochen, kommen auf jeden Menschen etwa drei Hühner. Der Ahne unseres Haushuhns, das kleine wildlebende Bankivahuhn, kommt aus Ostasien. Es lebt in den Tropen und Subtropen und mag Wälder ebenso wie Offenland. In Regionen mit Wanderfeldbau folgt es dem Menschen, denn brachgefallene Äcker sind ein prima Lebensraum mit feinem Futterangebot.

Globetrotter Huhn

Ornithologen, wie Heinz-Sigrund Raethel (Hühnervögel der Welt) vermuten daher, dass Hühner sich als Kulturfolger der landwirtschaftlichen Nutzung ausgebreitet haben. Entscheidend im Verlauf ihrer Domestizierung war aber auch der weltweite Handel mit ihnen – schließlich kann man sich so ein Huhn leicht unter den Arm klemmen und von Kontinet zu Kontinet schleppen: ein kleines Fleischpaket, das vor seinem Verzehr auch noch Eier legt. Glaubt man Andrew Lawler, sind die kleinen Tiere wahre Zivilisations-Booster. In „Why did the chicken cross the world?“, beschreibt er den Siegeszug des Huhns als Nutztier, das das globale Bevölkerungswachstum maßgeblich mitbestimmt hat, weil es ein ebenso genügsamer wie ertragreicher Proteinlieferant ist.

Erst Opfertier, dann Nahrungsmittel

Israelische Forscher haben herausgefunden, dass der Mensch im östlichen Mittelmeerraum erstmals damit begonnen hat, Hühner wegen ihrer Eier und ihres Fleisches zu halten. Dies geschah im zweiten bis vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Von hier verbreitete sich das Huhn im restlichen Europa. Die Funde in der israelischen Stadt Maresha stellen die erste nachgewiesene Domestizierung des Huhns außerhalb seines Herkunftskontinets Asien dar. Hier hielt man es bereits sechs Jahrtausende vor Chriti Geburt. Man geht davon aus, dass Hühner, bevor sie auf dem Speisezettel standen, als Opfertiere genutzt wurden. Die umfangreichen Hühnerknochenfunde der israelischen Forscher in Maresha zeugen aber vom Verzehr. Es gibt besonders viele Knochen weiblicher Tiere, die nachweislich Eier gelegt haben und viele Knochenfunde mit Messerkerben, die auf einen Fleischverzehr deuten.

Die Pupille ist es!

Natürlich ist alles längst wissenschaftlich erforscht. Die Pupille von Hühnern ist so gut wie nicht beweglich. Das, was wir über die Flexibilität unserer Augen erreichen, nämlich ein bewegendes Objekt zu verfolgen, oder etwas zu fixieren, während wir uns selbst fortbewegen, regeln die Hühner über die Bewegung des gesamten Kopfs. Dieses oft ruckartige Nicken oder Drehen ist typisch für Hühner. Auch ein Huhn braucht ein stabiles Bild, das dann im Gehirn verarbeitet werden kann.

Wo genau ist der leckere Wurm?

Auch das räumliche Sehen funktioniert etwas anders, zumal sich die Augen jeweils auf einer Seite des Kopfs befinden. Will ein Huhn die genaue position eines Leckerbissen ausmachen, wird er erst aus einem und anschließenden aus einem anderen Blickwinkel fixiert. Die beiden Bilder werden dann vom Hühnerhirn zu einem 3-D-Eindruck zusammengerechnet und so die genau Position ermittelt.

Huch! Ein Kuckucksei?

Helga & Grete legen cremfarbene Eier – für gewöhnlich…

Helga und Grete legen cremfarbene Eier – dachte ich. Eines Tages fand ich dann ein weißes Ei im Nistkasten. Ein Kuckucksei? War ein fremdes Huhn in ihr Hühnerhaus eingedrungen? Natürlich nicht. Grete, zweifelslos die abenteuerlustigste meiner beiden Hennen, hatte wohl mal wieder Langeweile. Ich bin sicher, sie hat sich gedacht: Heute mach ich mal was anders! Wie wärs mit einem schönen weißen Ei? Flugs hat sie ihre Schalendrüse zusammengekniffen und so keinerlei Pigmente in den Legedarm gelassen. Vermutlich wollte sie einfach mal mein dummes Gesicht sehen, als ich dieses Ei erblickte – pfiffiges kleines Hühnchen, meine Grete! Aber im Ernst, ich habe keine Ahnung wie das zustande gekommen ist. Die Eierfarbe ist genetisch bedingt.

Ich werde Grete von Ostern und unserer Sitte erzählen, dann Eier zu färben. Vielleicht inspiriert sie das und sie übernimmt den Job – wäre doch praktisch. Nicht nur die unterschiedlichsten Farbnuancen sondern auch Muster direkt aus dem Legedarm könnte ich mir hübsch vorstellen: Braun-weiß gestreift, braune Punkte auf weißem Grund und umgekehrt, Sprenkel, Tupfer und besonders schön wären Eier mit Hahnentritt-Muster! Ich finde die beiden könnten jetzt, da die dunkle Jahreszeit vor der Tür steht ein wenig üben. Die Jahreszeit, wo sie Stunden nur unter Hortensien glucken, ist vorbei. Vielleicht macht Helga ja auch mit!? Ich jedenfalls bin gespannt auf ihre neue Winter-Eier-Kollektion!

Eierproduktion die Zweite: Eierfarbe

Was läuft so ab im Huhn, wenn es ein Ei in seinem Körper bildet? Die Farbe der Eierschale ist tatsächlich ein Kaufkriteirium für den Verbraucher. Man sollte zwar meinen, dass Vitamin-, Protein- oder Cholesteringehalt wichtiger sind, aber 70 Prozent der Käufer greifen laut Margit Beck vom Informationsdienste Marktinfo zu braunen Eieren. Braune Eier werden mit einer artgerechteren Haltung in Verbindung gebracht. Doch statt auf die Eierfarbe zu achten, sollten die Käufer lieber auf Verpackung und Stempel des Eis schauen. Hier steht woher das Ei stammt. Die erste Ziffer gibt Auskunft über die Haltungsform des Huhns. Die folgende Buchstabenkombination ist der Ländercode und verrät das Herkunftsland. Danach kommt die Nummer des entsprechenden Legebetriebs.

An den Ohren sieht man´s

Helga meine reinrassige Sussex-Henne hat rosa-rote Ohrscheiben

Die Eierfarbe ist genetisch bedingt. Anders als bei der Farbe des Eidotters, spielt die Ernährung des Huhns hier keine Rolle. Die Farbe der Ohrscheiben, das sind Hautlappen unter dem Ohr des Huhns, geben einen Hinweis auf die Farbe der Eier, die dieses Huhn legt. Reinrassige Hühner mit roten Ohrscheiben legen meist braunschalige Eier, die mit weißen Ohrscheiben legen meist weiße Eier. Das ist die Regel – grüne Eier gibt es, aber keine Hühner mit grünen Ohrscheiben. Die Farbe der Ohrscheiben von nicht reinrassigen Hühnern lassen jedoch keinen Rückschluß auf die Farbe der Eier zu. Zwischen der Farbe des Gefieders und der Farbe der Eier besteht kein Zusammenhang.

Farbpigmente aus der Schalendrüse gelangen im Legedarm des Huhns in die Kalkschale des Eis. Rote Pigmente stammen aus dem Blutfarbstoff Hämoglobin, gelbe aus der Galle. Beide Farbpigmente vermischen sich und dabei entsteht ein Braunton. Vermischen sich roten und gelben Pigmente, entsteht die braune Färbung der Schale. Bei weißen Eiern werden überhaupt keine Pigmente eingelagert. Cremfarbene Eierschale entsteht durch eine geringere konzentration der Pigmente.

Eierproduktion

Hühner legen Eier – klar! Wer würde schon sagen: Hühner produzieren Eier? Legehennenbetriebe produzieren Eier, das trifft es! Und es macht zugleich deutlich, dass wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft leben, wo die Produktion von Nahrungsmitteln von einigen wenigen übernommen wird. Wer betreibt schon Subsistenzwirtschaft und versorgt sich selbt mit dem, was auf seinen Teller landet?

Laut Statistischem Bundesamt lebten in Deutschland im Jahr 2018 sage und schreibe über 41 Millionen Legehennen in etwas weniger als 2000 Betrieben. Sie produzierten die unglaubliche Zahl von über 12 Milliarden Eier. Dazu trugen auch die 464 Öko-Betriebe mit über einer Milliarde Eier bei. Das sind im Durchschnitt pro Henne 0,82 Eier pro Tag oder 298 Eier an 365 Tagen.

Die Eier, die mir Helga und Grete schenken, sind in dieser Statistik nicht enthalten, denn in ihr wurden nur Betriebe berücksichtigt, die mindestens 3 000 Legehennen halten. Wer von Euch hat schon einmal 3 000 Hühner auf einen Schlag gesehen? Das sind nicht wenige und ich bin sicher, die meisten denkten sogleich an Massentierhaltung, wenn sie sie sehen würden.

23 000 Legehennen je Betrieb sind deutscher Durchschnitt

In den alten Bundesländer werden durchschnittlich 19 000 Legehennen pro Betrieb gehalten, in den neuen sind es 46 000 Tiere. 2017 war Brandenburg laut Thünen-Institut Spitzreiter mit durchschnittliche 67 000 Legehennen in einem Betrieb. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es viele Landwirtschaftliche Betriebe gibt, die aus steuerlichen Gründen in mehrere Betriebe gesplittet wurden und somit u.U. noch mehr Legehennen unter einem Management stehen.

Das Thünen-Institut hat die Anzahl der Legehennen in Deutschland für verschiednene Betriebsgrößenklassen für 2017 ermittelt:

  • 24 Prozent aller Legehennen leben in Beständen von 10 000 bis 20 000 Tieren, das ist die Größenklasse in der die meisten Betriebe in Deutschland die Hennen halten.
  • 36 Prozent aller Legehennen leben in Beständen von über 100 000 Tieren.
  • 20 Prozent aller Legenhennen leben in Beständen von über 200 000 Tieren, diese Größenklasse macht nur knapp 2 Prozent aller Hennen haltenden Betriebe aus.

Haltungsart ist nicht entscheidend

Das Statistische Bundesamt weiß auch, dass die Haltungsart keinen signifikaten Unterschied für die Anzahl der gelegten Eier je Henne mitsich bringt. Ein Huhn in Freilandhaltung legt durchschnittlich 298 Eier im Jahr, eines in Bodenhaltung 300 und die Hennen, die in Kleingruppen in Käfigen leben, legen 302 Eier. Die Öko-Hühner unter den Legehennen schaffen im Jahr 285 Eier, das ist etwas weniger als ihre Schwestern aus konventioneller Haltung. Die meisten Hüner werden in Bodenhaltung gehalten, nur in Mecklenburg-Vorpommern stammt fast jedes zweite Ei von einer Legehenne, die im Freiland Frischluft schnuppern darf.

In Deutschland ist Niedersachsen der größte Eierproduzent, gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Weltweit werden am meisten Eier in China und der USA produziert.

Deutschland importiert Eier

In den meisten Medien wird in Zusammenhang mit der deutschen und europäischen Landwirtschaft schnell von Überproduktion gesprochen. Meist wird eine einfach Ursachenketten dargestellt:

Überproduktion = zu viel Gülle = Überdüngung = Grundwasserverschmutzung

Das ist einfach zu verstehen, grundsätzlich auch richtig und doch wieder nicht so simpel. Das Problem besteht vor allem in der regionalen Verteilung von Vieh in Deutschland und der Konzentration von viel Vieh auf flächenarmen Betrieben. Stimmt das Verhältnis von Tieren zu landwirtschaftlicher Fläche, wo die Gülle ausgebracht wird also nicht, dann stimmt die oben dargestellte Wirkungskette.

Deutschland ist Nettoimportier von Eiern. Der Selbstversorgungsgrad lag laut AMI Marktbilanz 2017 bei 69 Prozent. Trotz der Einfuhr von Eieren wurden gleichzeitig 3 Milliarden Eier exportiert – so funktionieren freie Märkte und es schadet dem Klima: mehr Transporte verursachen mehr klimaschädliches CO2.

Einbruch der Eierproduktion nach Verbot der Käfighaltung

Als die Käfighaltung von Legehennen in Deutschland im Januar 2010 verboten wurde, brach die Produktion von Eieren sofort ein und die Importe stiegen laut Thünen-Institut auf 10 Milliarden Eier. Der Import besteht zu 75 Prozent aus Schaleneiern, der Rest sind Eiprodukte wie getrocknetes Eigelb. 99 Proznet dieser Importe kommen aus der EU wobei die Niederlande der Hauptimporteur sind. Übrigens gleichzeitig ein Land, das in die Bundesländer Niedersachen und Nordrhein-Westfalen Gülle exportiert. Auch dieser Transport belastet das Klima.

Das Eiergeschäft

Eine Zierde im Miniatur-Zengarten: die beiden ersten ausgeblasenen Eier von Helga & Grete.

Es wird höchste Zeit vom Eierlegen zu sprechen. Meine beiden emsigen Hennen legen bisher nahezu täglich ein Ei. Sie haben damit in ihrer 21. Lebenswoche begonnen. Es ist ihr aufregenste Ereignis im Hühneralltag. Ist es erledigt, kommen sie aus ihrem Haus geeilt, gackern lauthals, suchen die andere – und: widmen sich dem Fressen. Helga tut sich schwerer mit dem Eierlegen. An manchen Tagen verschwindet sie schon früh am Morgen ins Legenest und versucht es erfolglos, dann kommt sie wieder raus um wenig später wieder zu verschwinden. Das Ganze hat sich schon über vier Studen gezogen.

Ungeduldige Grete

Grete kann es gar nicht leiden, wenn Helga zu früh zum Eiergeschäft verschwindet oder stundenlang in der Koje hockt. Dann läuft sie mit jammerigen Gegacker ums Hühnerhaus herum und ich höre wie sie quengelt: Lass uns doch erstmal auf die saftige Wiese gehen, Du kannst nachher immer noch Dein Ei legen! Manchmal geht sie ins Haus und gackert Helga die Hucke voll. In der Regel antwortet diese mit einem entnervtem Fauchen. Dann zieht Grete beleidigt wieder ab und setzte das Lammento draußen fort. Es kommt auch vor, dass Grete bei Helga bleibt. Ich vermute, weil diese all ihre Kraft fürs Eierlegen einsetzt und die plärrende Grete notgedrungen in ihrer Nähe akzeptiert.

Mega-Ei

Vorgestern hat Helga wieder ein riesiges Ei gelegt. Es ist knapp 8 Zentimeter lang. Ich frage mich ob Huhn-Helga sich vielleicht Gänse als Vorbild genommen hat. Ihr Ei wog 93 Gramm! In diesem Riesen-Ei hat sie wie schon zuvor, wieder zwei Dotter in einer Kalkschale verpackt. Bei 73 Gramm beginnt die Gewichtsklasse XL für Eier von Hühnern, Gänsen und Enten gemäß einer EU-Norm. Gänseeier wiegen zwischen 150 und 200 Gramm, ein durchschnittliches Hühnerei wiegt 57 Gramm. Das ist die Gewichtsklasse, in der Grete antritt, ihre Eier wiegen meist zwischen 55 und 60 Gramm.

Links Helgas Mega-Ei und rechts Gretes Ei vom gleichen Tag.

Windei

Das ist nun schon das dritte Mal, dass Helga so ein großes Ei legt und ich bin sicher, es ist kein Vergnügen für ein Huhn, solch ein großes Ei aus sich heraus zu pressen. Ich habe ja schon berichtet, das Helga sich selbst die kleinen Federn am Bauch rupft. Ab und an finde ich sie im Legenest neben ihren Eiern. Nach ihrem zweiten und dritten Mega-Ei hat sie am nächsten oder übernächsten Tag kein Ei gelegt – das war sicher eine Erholung für ihren Körper. Es ist auch schon vorgekommen, das Helga innerhalb von ungefähr 30 Stunden drei Eisprünge hatte. Den ersten hat sie zu einem normalen Ei mit Kalkschale verpackt, für die beiden folgenden hatte ihr Körper offenbar nicht genug Kalk um auch für sie eine richtige Verpackung zu produzieren. Sie legte sie ohne Kalkschale. Eiklar und Dotter waren nur von der dünnen Ei-Haut umhüllt. Der Volksmund nennt diese Eier Windei.

Ein Windei ohne Kalkschale im Legenest. Die Ei-Haut ist schon perforiert.

Unter Hortensien

Helga und Grete an ihrem Lieblingsplatz im Garten.

Bei Helga und Grete ist es nicht anders, als bei uns Menschen: die beiden haben ihre Lieblingsplätze. Die Hortensien, vor der Mauer gehören dazu. Meine beiden Hennen suchen hier nicht nur Schatten, nein, dies ist der Ort, wo sie abhängen und die Hühnerseele baumeln lassen. Seite an Seite glucken sie unterm Blütendach, dösen oder beobachten, was ich gerade so mache. Meistens schweigen sie dazu, es sei denn, ich nähere mich mit dem Wasserschlauch „keine Beregnung bitte“, gackern sie dann leicht entnervt und schauen erleichtert, wenn ich einsichtig wieder abziehe. Natürlich sind die Hortensien auch ein feiner Ort für einen netten Plausch unter Hühnern. Es ist wohl ein wenig so, wie wenn wir uns zum Cappuccino ins Café setzen.

Eine gepflegte Unterhaltung in ansprechendem Ambiente.

Klatsch und Tratsch

Ich möchte ehrlich gesagt, garnicht wissen, wie oft sie dabei auch über mich reden. Die Blicke, mit denen sie mich bedenken, schwanken zwischen Unverständnis und Mitleid. Klar, warum rackere ich mich auch dauern im Garten ab? Ich könnte es ja so machen wie sie, einmal am Tag ein Großereignis – wie das Eierlegen – und dann nur noch fressen, sich pflegen, herumstolzieren und eben unter Hortensien dösen.

Helga (rechts) kann offenbar nicht glauben, was Grete ihr Ungeheuerliches erzählt

Ich vermute, dass die beiden auch Beauty-Tips austauschen während sie dort so hocken. Die Frisur scheint dabei eine große Rolle zu spielen, denn hier und da, werden kleine Korrekturen am Kopfputz der Freundin vorgenommen. Möglicherweise helfen sie sich aber nur gegenseitig, lästigen Vogelmilben an ungünstigen Stellen zu bekämpfen.

Freundschaftliche Korrektur an Gretes Frisur

Irgendwann ist dann aber genug mit chillen: die eine oder andere treibt zum Aufbruch, man könnte sich ja nochmal gemeinsam auf Futtersuche begeben, oder gar zum Kompostplatz, das ist quasi ihr Fitnessstudio. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

Hühnerkacke

Manche nutzen den Begriff als Schimpfwort, vermutlich die selben, die ihre Mitmenschen gerne mal als dummes Huhn bezeichnen. Dabei sind die Exkremente der Hühner pures Gold wert. Ein Dünger höchster Qualität, gerade auch für Kleingärtner*innen kostbar und eine prima Ergänzung zu Kompost. Die Konzentration der Hauptnährstoffen für Pflanzen, Stickstoff, Kalium und Phosphor, ist deutlich höher als bei Rinder- oder Schweinemist, bzw. Gülle. Wer Hühner im Garten hat, kann komplett darauf verzichten organischen oder synthetischen Dünger zu kaufen. Letzterer sollte im naturnahen Garten eh nicht zum Einsatz kommen, völlig überflüssig. In der ökologische Landwirtschaft sind ohnehin nur organische Wirtschaftsdünger erlaubt. Aber auch in der konventionellen Landwirtschaft sind die Exkremente aus der Tierhaltung der nachhaltigste Dünger. Ja, auch die verschriene Gülle, aber das ist ein Thema für sich.

Harn und Kot werden beim Huhn gemeinsam abgesetzt. Die Körperöffnung dafür nennt sich Kloake. Der Harnstoff ist der weiße Anteil auf den Hühnerkothäufchen.

Die Terrasse

Helga & Grete auf Exkursion.

Helga & Grete wohnen in ihrem Hühnerhaus in meinem Garten. Um das Hühnerhaus gibt es ein Gehege, ihr Auslauf. Er ist mit einem mobilen Weidezaun eingehegt, den ich versetzen kann, wenn die beiden es mit dem Scharren wieder einmal zu wild getrieben haben. Ein Schutznetz gegen Greifvögel sichert das ganze Ensemble gegen Angriffe aus der Luft. Damit meine beiden Hennen des Nachts sicher vor Marder und Fuchs sind, sorgt eine elektronische Hühnerklappe für geordnete Schließzeiten. Ich habe den Eindruck, sie mögen ihr kleines Smart-Home. Wenn zuviel los ist im Garten, ziehen sie sich gerne dahin zurück. Allerdings nutzen sie dann nur den Volierenteil ihres Hauses. Der ist für sie offenbar eine Art Veranda, von der aus sie noch alles im Blick haben. Zieht sich mal eines der beiden Hühner in den Wohnbereich mit Legenest zurück ohne, dass ein Eiergeschäft ansteht, dann kann ich sicher sein, es ist zutieft beleidigt oder verschreckt.

Helga & Gretes Hühnerhaus

Das Gras ist grüner auf der anderen Seite

Die ersten sechs bis acht Wochen reichte ihnen ihre kleine Gehegewelt ganz und gar. Aber dann sprangen sie immer öfter auf ihr Hühnerhaus und auf einen großen Blumentopf, um die Welt außerhalb in Augenschein zu nehmen. Verständlich, ist das Gras auf der anderen Seite des Weidezauns doch grüner und vor allem kräftiger. Die beiden schmiedeten Fluchtpläne: Grete entschied sich für beherzte Flattersprünge über den Zaun, als es noch kein Greifvogelnetz gab. Helga gelang es, unter dem Zaun durchzukriechen. Ich rüstete auf, mit Schutznetz und Erdhaken. Grete blieb bei einem weiteren Fluchtversuch hängen und musste gerettet werden. Glücklicherweise blieb sie cool und geriet nicht in Panik, weil Rettung schnell nahte. Fortan zeigt sie sich einsichtig und unterläßt diese Harakiri-Sprünge. Helga kam bisher nicht auf die Idee, ihre Erdkuhlen so tief anzulegen, dass sie doch unter dem Zaun durchkriechen könnte.

Nicht nur Gras, auch Tulpen werden von Helga und Grete gerne bepickt…

Ich jedenfalls habe ein Einsehen und lasse sie nun mindestens für ein paar Stunden nachmittags und abends auf die große Wiese und zum Kirschlorbeerdickicht am Thermokomposter und unter die Hortensien. Wollen sie raus aus ihrem Gehege, rennen sie gackernd und fauchend am Zaun hin und her und zerren mit ihren Schnäbeln daran. Ich denke, sie wissen genau, dass sie das blöde Ding nicht umgelegt bekommen, aber wie könnten sie mir eindrücklicher klar machen, dass sie raus wollen?

Und wo wohnst Du?

Die Wiese, die Hortensien und der Kompostbereich sind furchtbar spannende Orte für meine beiden lebenslsutigen Hennen. Viel grünes Gras, ein hübsches Hortensiendach zum Ausruhen ohne gesehen zu werden (höchstens von Remo dem Nachbarhund, aber die drei verstehen sich prima) und wunderbar lockere Erde um den Kompost mit allerlei interessantem Getier. Zwischen Wassertonnen und Thermokomposter werden durch emsiges Scharren ganze Tagebaulandschaften angelegt, die ich mit meinem Rechen wieder eineben muss. Erst neulich geriet ein Komposter in eine kritische Schieflage…

Und wo wohnst Du?

Doch meine beiden klugen Hühner, interessieren sich darüber hinaus für die nähere Umgebung. Seite an Seite erkunden sie z.B. Staudenbeete am Rand der großen Wiese. Natürlich scheuche ich sie sofort weg, was sie unwillig akzeptieren um es wenig später erneut zu versuchen. Auch der alte „Pool“ erregt immer wieder ihr Interesse, obwohl er nichts zu fressen bietet. Ja, und ich bin stolz, Indizien dafür zu haben, dass sie sich auch für mich und meine Behausung zu interessieren scheinen. Die Terrasse hat es ihnen angetan. Sicher, weil ich soviel Zeit dort verbringe! Ich hoffe nicht, dass sie nur dort vorbeischauen, weil ich dort auch gerne meine Mahlzeiten zu mir nehme. Vielleicht sind es aber auch die großen, fleischigen Blätter der Hosta? Wie auch immer: die Terrasse übt eine magische Anziehungskraft auf sie aus, übrigens auch, wenn ich im Haus verschwunden bin. Dann finde ich sie vor der halb geöffneten Tür wieder und die langen Hälse recken sich,um ins Innere zu schauen. Schließe ich die Tür ganz – ich halte sie mittlerweile für so tollkühn auch meinem Wohnzimmer einen Besuch abstatten zu wollen – stehen sie vor der Tür und gackern mich laut herbei.

Picken, was das Zeug hält

Hühner laufen den lieben langen Tag mit gesenktem Kopf herum. Sie sind immer auf der Suche nach etwas Fressbarem: ein Körnchen oder ein Würmchen, etwas Gras oder feine Kräuter. Helga & Grete sind da nicht anders, aber natürlich bin auch ich eine bequeme Futterquelle für sie. Laufe ich nur mit meiner Teetasse durch den Garten, rennen sie mir schon hinterher. Das Ding in meiner Hand sieht aber auch einer Futterschale zum Verwechseln ähnlich.

Helga & Grete nach dem Regen bei Brotresten mit Kräutern.

Mein Wurm

Besonders lustig ist es, wenn Sie sich gegenseitig einen besonderen Leckerbissen, wie einen Engerling abjagen, ganz im Brecht´schen Sinne „Erst kommt das Fressen dann die Moral“. Die Zielgenauigkeit beim Picken ist erlernt, aber das Erkennen von Futter und das Picken selbst, sind angeboren. Helga & Grete fressen mir gerne aus der Hand, dabei zwicken sie mich öfter in die Handfläche. Das räumliche Sehen, ist nicht die Stärke von Hühnern.

Pick nicht so schnell!

Drohnenbrut ist der Hit

Meine Nachbarin ist Imkerin. Sie schneidet einen Teil der Larven der Drohnen aus den Bienenstöcken heraus, damit diese nicht weiter durchgefüttert werden. Ganze Holzrähmchen mit Waben und Drohnenbrut steckt sie in die Tiefkühltruhe, um die Larven abzutöten. Leicht angetaut, bekommen Helga & Grete die Waben kredenzt. Sie spielen fast verrückt: wertvolles Protein mit Resten von Honig – da kann kein Huhn widerstehen. An heißen Tagen ist das der Hit, eine Art Eis für Hühner der Sorte „Drohne mit Honig“. Vielleicht sollte man den zugehörigen Eisbecher „Willi“ nennen? Anfangs musste ich Ihnen noch die Wabendeckel aufkratzen, aber mittlerweile haben sie begriffen, wie sie mit dem Schnabel den Deckel entfernen.

Ich kann nicht mehr.

Federpicken

Sind Hühner gestresst, neigen sie dazu andere Hühner zu bepicken. Dieses Verhalten, kann sich auch gegen sie selbst richten. Helga ist ein wenig mein Sorgenkind. Sie müht sich oft ab beim Eierlegen. Offenbar zupft sie sich vor lauter Anspannung selbst ein paar Federn am Bauch. Ich finde dann im Legenest ein großes Helga-Ei umgeben von kleinen Daunen.

Schabelkürzen

Damit Hühner und Puten sich und andere mit ihren scharfen Schnäbeln nicht verletzen, kürzte man bisher den Tieren auf vielen Betrieben routinemäßig die Schnäbel. Diese Praxis wird zunehmend geächtet und gehört in der aktuellen Tierschutz- und Tierwohl-Disskussion zu den umstrittensten Praktiken, ebenso wie betäubungslose Ferkelkastration oder die Haltung von Sauen in Kastenständen. Zwischen Geflügelwirtschaft und dem Bundeslandwirtschaftsministerium gibt seit 2017 eine Vereinbarung zum Verzicht auf das Schnabelkürzen. Niedersachen, das Bundesland mit den meisten Legehennen und Mecklemburg-Vorpommern, haben das Kürzen von Schnäbeln bereits verboten. Verzichtet man auf das Kürzen von Schnäbeln, müssen gelichzeitig Haltungsbedingungen geschaffen werden, die die Ursachen für Federpicken bei Geflügel so weit wie möglich ausschließen. Es gibt deutschlandweit verschiedene Initiativen um Bauern zu beraten, was sie für bessere Haltungsbedingungen machen können.